Public-Health-Impact eines OTC-Switches von Sildenafil 50 mg
Die steigende Prävalenz der erektilen Dysfunktion entwickelt sich auch in Deutschland zunehmend zu einer nennenswerten Public-Health-Problematik, für deren Therapie mit dem Wirkstoff Sildenafil eine etablierte Behandlungsoption für die betroffenen Patienten zur Verfügung steht. Das Ziel des Gutachtens war es, im Rahmen einer literaturbasierten Untersuchung den Public-Health-Impact herauszuarbeiten, der mit einem Wechsel („Switch“) von Rx- auf OTC-Status für Sildenafil 50 mg assoziiert ist.
Die Diskussion um einen OTC-Switch von Sildenafil ist durch zwei zentrale Leitmotive geprägt. Zum einen soll der illegale Handel mit gefälschten Arzneimitteln, soweit als möglich, reduziert werden. Zum anderen sollen durch niedrigschwellige Beratungsangebote in Apotheken über die einer erektilen Dysfunktion zugrundliegenden Erkrankungen mehr Patienten in eine strukturierte ärztliche Behandlung überführt werden.
Methodik
Es wurde zunächst in Form von Fallstudien („Case Studies“) die wissenschaftliche Evidenz von erfolgreichen OTC-Switches für ausgewählte Wirkstoffe analysiert. Darüber hinaus wurde die Literatur zu OTC-Switches von Sildenafil in den europäischen Nachbarländern (insbesondere Vereinigtes Königreich) ausgewertet. Zusätzlich wurden Experteninterviews mit Vertretern von Apotheken- und Patientenverbänden durchgeführt, um aktuelle Einschätzungen abzubilden. Die Einschätzung zum Public-Health-Impact für einen möglichen OTC-Switch des Wirkstoffes Sildenafil erfolgte anhand von drei Domänen: patientenrelevante, gesundheitssystembezogene und sozio-ökonomischen Auswirkungen.
Patientenrelevante Aspekte: Da nur ca. ein Drittel der betroffenen Patienten mit erektiler Dysfunktion eine Ärztin bzw. einen Arzt konsultiert bzw. die Einnahme von Sildenafil oftmals ohne vorherige ärztliche Konsultation erfolgt, könnte eine OTC-Abgabe über die Apotheken zu einem niedrigschwelligen Zugang zum Versorgungssystem führen. Apotheken könnten am Point-of-Sale den Kontakt mit den Kunden suchen und bei Anzeichen des Vorliegens von Grunderkrankungen die Patienten in die ärztliche Behandlung verweisen. Eine Schätzung ergab, dass bei einem OTC-Switch ca. 700.000 Männer mit erektiler Dysfunktion von einer Therapieausweitung profitieren würden.
Gesundheitssystembezogene Aspekte: Ein klar zu benennender Vorteil der OTC-Freigabe von Sildenafil für das Gesundheitssystem ist die Stärkung der Profession sowie der heilberuflichen Kompetenz der Apothekerinnen und Apotheker durch Beratungsleistungen für Sildenafil, da die erektile Dysfunktion ein neues Beratungsfeld für Apotheken darstellt. Dass die Apothekerinnen und Apotheker auch einen Public Health-relevanten Beitrag im Falle einer OTC-Freigabe von Sildenafil leisten könnten, zeigen die Ergebnisse einer europäischen Beobachtungsstudie, in der untersucht wurde, ob die Apothekerinnen und Apotheker eine angemessene Empfehlung von Sildenafil 50 mg für die Behandlung von erektiler Dysfunktion abgeben können.
Sozio-ökonomische Aspekte: Es ergeben sich durch einen OTC-Switch von Sildenafil zunächst keine nennenswerten Einsparungen bei den Arzneimittelkosten, da diese aufgrund einer Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses von den Patienten selbst zu tragen sind. Da betroffene Patienten jedoch in vielen Fällen keine Arztbesuche wahrnehmen, besteht das Risiko, dass die eine erektile Dysfunktion begünstigenden Grunderkrankungen bzw. Folgeerkrankungen nicht oder erst zeitverzögert diagnostiziert werden, was zu schwereren Krankheitsverläufen mit hohen Behandlungskosten führen kann. Das Ziel eines OTC-Switches sollte es somit sein, die Diagnose der zugrundeliegenden Erkrankungen bei einem größeren Anteil der Patienten mit erektiler Dysfunktion zu ermöglichen und somit einen Public-Health-relevanten Beitrag zu leisten.
Fazit
Zusammenfassend beinhaltet ein möglicher OTC-Switch von Sildenafil 50 mg somit eine Abwägung des sich daraus ergebenden Patientennutzens und der Patientensicherheit. Die bisherige Verschreibungspflicht von Sildenafil soll sowohl die Patientensicherheit als auch die Therapie der Patienten in ärztlicher Behandlung fördern. Da aber in der Vielzahl der Fälle ein Bezug des Medikaments außerhalb der ärztlichen Behandlung stattfindet, bleibt ein Großteil der betroffenen Patienten unzureichend behandelt. Ein OTC-Switch könnte zur Entstigmatisierung von Sildenafil sowie der erektilen Dysfunktion beitragen und bisher unbehandelte Patienten durch die Information und niedrigschwellige Konsultation der Apotheken in eine ärztliche Behandlung überführen.